top of page

USA outperformt Europa

 

 

Börsenrekorde sind eine feine Sache. Sie heben die Laune, denn sie erfreuen Aktionäre und Unternehmen. Börsenrekorde verleiten allerdings auch dazu, nicht so

ganz genau hinzuschauen. Wer will anderen schon die Champagnerlaune verderben, wenn es doch gerade offensichtlich sehr gut?

Auch wenn der Dax in den vergangenen Tagen einen Rekord nach dem nächsten erzielt hat, ändert das eines nicht - Europa ist dabei, dauerhaft den Anschluss an Amerika zu verlieren.  Die aktuellen Höchststände verdecken nämlich den Blick auf eine langfristige Entwicklung, die frappierend ist, wenn man sie in Zahlen ausdrückt: Von Anfang 2009 bis heute hat das amerikanische Aktienbarometer S&P500 rund 470 Prozent an Wert gewonnen. Im gleichen Zeitraum hat der europäische Aktienindex Euro Stoxx 50, der die wichtigsten Werte des Euroraums abbildet, gerade einmal 100 Prozent an Wert zugelegt. Eine Diskrepanz, die sich übrigens auch dann bestätigt, wenn man andere europäische Aktienbarometer heranzieht, die mehr Mitglieder haben als der Euro Stoxx 50 mit seinen 50 Unternehmen. An der Börse ist Amerika Europa also weit enteilt.

Doch es ist nicht einfach nur dem Zufall oder einer Laune des Schicksals geschuldet, dass große Technologiekonzerne wie Apple, Amazon & Co. in den Vereinigten Staaten entstanden sind und für einen großen Teil der amerikanischen Börsenrally verantwortlich zeichnen. Nein, für den Rückstand Europas gibt es handfeste Gründe. Und wenn nicht bald einiges geschieht, besteht die Gefahr, dass sich der Abstand weiter verfestigt. Der Kontinent könnte im schlimmsten Fall auch in den nächsten 10 Jahren an der Börse dauerhaft abgeschlagen bleiben.

Natürlich müsste das nicht sein.

Gemessen am intellektuellen Kapital, über das wir in Europa verfügen, sind europäische Firmen an dem Finanzmärkten unter repräsentiert. Dabei habe Europa in seiner Geschichte ja bewiesen, was es könne. Immerhin nahm die industrielle Revolution hier ihren Anfang. Es erscheint auf den ersten Blick seltsam, solange zurückzublicken, aber man könne sich von den alten Zeiten etwas abschauen. Damals gab es die grundsätzliche Bereitschaft, ins Risiko zu gehen und etwas zu wagen. Davon kann heute in vielen Fällen keine Rede mehr sein. In Deutschland, dem wichtigsten Kapitalmarkt des Kontinents, gibt es zwar viele Unternehmen, die sich angesichts ihrer beeindruckenden Historie rühmen können, bereits so gut wie alles überstanden zu haben — sogar zwei Weltkriege. Viele Manager wollen aber primär keine Fehler machen. Sie verwalten lieber, als dass sie den Mut hätten, echte unternehmerische Entscheidungen zu treffen.

Diese Entwicklungen zeigen: Deutschland tut sich womöglich schwer mit dem Mut zu Veränderungen, der in den vergangenen Jahrzehnten hierzulande nicht so notwendig war. Lange konnte sich die erfolgsverwöhnte, Deutsche Industrie, allen voran, die Autokonzerne, nämlich darauf beschränken, ihre Produkte mit allen Mitteln der Ingenieurskunst jedes Jahr einfach immer ein bisschen besser zu machen. Das reicht aus, um Erfolg zu haben. Umwälzende Neuerungen wie Apples iPhone, Google Suchmaschine oder in NVIDIAS Computerchips kommen dabei zwangsläufig eher selten heraus. nun könnte man darauf hoffen, dass die Veränderung im Denken (,,Mindset‘‘, wie die Amerikaner sagen würden) spätestens dann eintreten wird, wenn die Lage noch schlecht genug ist. Allerdings gibt es leider auch Gründe struktureller Natur, die eine echte Aufholjagd Europas erschweren. Denn Europa fehlen im Vergleich zu den Vereinigten Staaten, nicht nur die innovativen Tech-Firmen, sondern es mangelt auch an einer mindestens ebenso wichtigen Einrichtung - an einem schlagkräftigen Finanzsektor. klammert man die Britten aus, die seit ihrem Austritt aus der europäischen Union den Kontinent ohnehin selbst überlassen haben, sind Europas. Banken, die amerikanischen nämlich weit unterliegen. Das zeigt sich an den Börsenwerten, die für sich sprechen. Die Deutsche Bank beispielsweise kommt derzeit an der Börse auf einem Wert von knapp 26 Milliarden €. Die vielleicht wichtigste amerikanische Bank JP Morgan erreicht dagegen einen Wert von mehr als 540 Milliarden $. Man muss den Dollar Betrag noch nicht an meinen Euro Umrechnung, um zu erkennen, wie gravierend dieser Unterschied ist.

Nur war es natürlich auch den Umständen geschuldet, dass Amerika in den Zehnerjahren seinen Vorsprung, in diesem Bereich ebenfalls zu deutlich ausbauen konnte. Als die Finanzkrise 2008 um die Welt ging, stützen die USA, ihre Banken mitmacht und ungeheuer Summen. Europa versuchte sich zwar an Ähnlichem, konnte aber aus einem ziemlich offensichtlichen Grund nichts vergleichbares erreichen: während in Amerika eine Regierung über die Maßnahmen entscheiden konnte, mussten sich in Europa stets viele Regierungen einigen. Die besondere Konstellation des Euroraums — eine gemeinsame Währung, Keine gemeinsame Regierung — war es dann auch, die Europas Banken den Folgejahren entscheidend schwächte. Die Staatsschuldenkrise lernte den Kontinent und seine Finanzinstitute über Jahre, Amerika, blieb sie dagegen erspart. Doch selbst den Zeiten steigende Zinsen, die vielen Banken jetzt wieder einträgliche Geschäfte bescheren, versteht es Europa, seinen Finanzsektor zu belasten.

Die britische Wirtschaftszeitung ,,Financial Times‘‘ hat dieser Tage aufgezählt, welche Länder in jüngster Zeit unterschiedliche Spielarten neuer Bankensteuern eingeführt haben. Es sind beispielsweise Italien, Spanien, Ungarn, Tschechien und Litauen. Jetzt ließ sie sich einwenden: warum bitte sollte man die Banken schon schonen? Besondere Rücksichtnahme ist vielleicht nicht angebracht, aber sicher auch nicht vorsätzliche Schwächung. Wozu florierende Bankgeschäfte beitragen können, zeigt nämlich ein weiteres Mal das Beispiel der Vereinigten Staaten: stehen die Banken solide und mit guten Zukunftsperspektiven da, ermöglicht Ihnen dies zunächst einmal, mehr Kredit zu vergeben, was wiederum der Wirtschaft hilft. Je stärker die Wirtschaft wächst, desto wichtiger werden auch andere Kapitalmarktinnovationen, um eben dieses Wachstum weiter zu finanzieren.

So ist es in den USA, beispielsweise um ein vielfaches leichter, Pensions Gelder, unter anderem auch in Startups anzulegen. Junge, aufstrebende Firmen erhalten auf diese Weise dringend benötigtes Kapital und Anleger riskante, aber womöglich lukrative Renditechancen. Man muss die Beispiel nicht exakt so nachmachen. Aber all die Ruf viele europäische Bankmanager nach der so genannten ,,Kapitalmarktunion‘‘ haben letztendlich den Hintergrund, dass intelligente Finanzierungen auf einem einheitlichen europäischen Markt viel leichter umzusetzen wären. Trotz Beteuerungen europäischer Finanzpolitik stoppt das Projekt jedoch seit Jahren. Wo aber bleibt die Hoffnung? Beispielsweise liegt Europa im Bereich der erneuerbaren Energien oder der Nachhaltigkeit vor den USA zugespitzt gesagt: nicht jene Innovation muss ein iPhone sein. Seit einiger Zeit macht unter Anlage Profis ein Akronym die Runde, dass die Investmentbank Goldman Sachs erfunden hat. unter dem Namen ,,Granolas‘‘ , stellt sie europäische Aktiengesellschaften vor, die den

US-Technologiekonzern an der Börse die Stirn bieten. Dazu zählen die Pharmakonzerne Glaxo Smith Kline und Roche, der Chiphersteller ASML, Der Lebensmittelkonzern Nestlé, die Pharmakonzerne, Novartis und Novo Nordisk, die Konsumgüter Hersteller, L’Oreal und LVMH, der Impfstoffproduzent AstraZeneca sowie die Pharma Unternehmen, Sanofi und der Software Konzern SAP. Wer die Namen durchgeht, bemerkt den Schönheitsfehler ziemlich schnell: viele der Firmen stammen aus Großbritannien oder der Schweiz. gerade einmal fünf Unternehmen komm tatsächlich aus dem Euroraum. Die Listen der europäischen Hoffnungsträger, sie bleibt erschreckend überschaubar.

bottom of page